Spezialinformation
Die Zentralschule Wörth
südlich von St.Pölten, direkt an der Leobersdorferbahn
80 Jahre (1934 -2014)
Um die Nachwuchsvorsorgen planmäßiger zu organisieren und die Ausbildung der Nachwuchskräfte zu
vereinheitlichen, entschlossen sich die Österreichischen Bundesbahnen im Jahre 1934, eine Zentralschule
einzurichten.
Zu diesem Zweck wurde in Wörth, Gemeinde St. Georgen am Steinfeld im Bezirk St. Pölten, in einem
eingeschossigen, im Ersten Weltkrieg als Waffenarsenal errichteten Bau, mit der Ausbildung von
Fahrdienstleitern, Juristen und Technikern begonnen. In dieser Dienstanfängerschule Wörth, so war 1934
der offizielle Titel der heutigen Zentralschule, wurden die ehemaligen Lagerräume des aus Beton erbauten
Dienstanfängerschule der Österreichischen Bundesbahnen im Jahre 1935
Depots derart umgestaltet, daß in sieben Zimmern etwa 40 Lehrgangsteilnehmer internatsmäßig unter-
gebracht werden konnten. Ferner waren ein Waschraum, ein Lehrsaal, ein Telegraphenraum sowie Büros
und Unterkunftsräume für die Lehrgangsleitung vorhanden. Im Waschraum gab es kein Warmwasser und die
Schlafräume waren militärisch einfach eingerichtet.
Lehrgangsteilnehmer wurden “Praktikanten” genannt, sie bezogen brutto 50,-, netto 30,- Schilling. Sie nahmen
ihre Mahlzeiten außerhalb der Schule ein, und zwar bei einem in der Nähe gelegenen Gastwirt namens
Josef John. Obwohl sich John bemühte, ein möglichst billiges Mittag- und Abendessen herzustellen und die
Portionen auch dem Appetit der hungrigen jungen Leute anzupassen, reichte der Monatsbezug bei weitem
nicht aus, um das “nackte” Leben zu decken. Fahrbegünstigungen wurden den Praktikanten nicht gewährt, nur
für die Reise zum Dienstort wurden Freifahrtscheine ausgestellt. Die Praktikanten rugen Uniformen ohne
Rangabzeichen. Für jede mit Sehr gut bestandene Prüfung konnte auf dem Spiegel eine goldene Borte
angebracht werden. Ein Praktikant, der die Telegraphen-, Verkehrs- und Kommerzielle Prüfung mit Sehr gut
bestanden hatte, durfte drei dieser Borten am Kragenspiegel tragen, wer diese drei Prüfungen nur mit gutem
Erfolg bestanden hatte, blieb, wie der ungeprüfte Anfänger, ohne Borte. Aus der Anzahl der Borten konnte
daher nicht auf die Länge der Ausbildungszeit des Praktikanten geschlossen werden.
Erster Leiter der Dienstanfängerschule in Wörth, und zwar bis 1945, war Bundesbahn-Inspektor Josef Kraus,
Bundesbahn-Oberrevident Ernst Hlawatschke als Lehrer zur Seite stand. Hlawatschke wurde auch der
Nachfolger von Kraus. Nach seiner Pensionierung im Jahre 1955 folgte ihm Bundesbahn-Inspektor Josef
Schebesta und ab 1967 Bundesbahn-Inspektor Walter Ableidinger.
Nur von 1934 - 1938 wurden in der Dienstanfängerschule Praktikanten, also Nachwuchskräfte, unter den
oben angeführten Bedingungen ausgbildet. Die Ausbildung dieser Praktikanten ist daher unauslöschlich
mit den Namen Inspektor Kraus und Oberrevident Hlawatschke verbunden. Mit diesen beiden Männern
hatten die Österreichischen Bundesbahnen sozusagen einen Volltreffer gemacht. So war Inspektor Kraus
nicht nur ein Eisenbahner mit Herz und Seele und ein ganz hervorragender Fachmann, sondern auch ein
Pädagoge und Menschenführer von überdurchschnittlicher Qualität. Seine gütige und doch strenge Art ließ
kaum einen Mißton aufkommen und die Stimmung unter den Kursteilnehmern war, trotz der prekären
finanziellen Verhältnisse, immer ausgezeichnet.
In diesen 5 Jahren wurden 15 Praktikantenkurse abgehalten. Bei einer durchschnittlichen Anzahl von 40
Teilnehmern wurden also rund 600 Praktikanten auf ihre Eisenbahnlaufbahn vorbereitet. Die Auslese für
diese Kurse war derart streng und die Ausbildung so hervorragend und gewissenhaft, daß diese 600
Teilnehmer 35 Jahre nach Eröffnung der Schule fast alle in leitende Stellungen bei den Österreichischen
Bundesbahnen eingerückt sind. Generaldirektor, Generaldirektor-Stellvertreter, der Leiter der Sektion II und
die meisten Fachdirektoren, Leiter der Dienste und Präsidenten sowie zahlreiche Abteilungsleiter, Referenten
und Kontrollore sind ehemalige Praktikanten.
Wie schon erwähnt, war das Kameradschaftsgefühl unter den Praktikanten sehr ausgeprägt und es
entstanden unter den Teilnehmern Freundschaften fürs Leben, die allen Belastungen der Kriegs- und
Nachkriegszeiten standhielten. Die 39 Kursteilnehmer des vierten Kurses vom 5. November 1934 bis 12.
Jänner 1935 beschlossen, anläßlich des 35-jährigen Jubiläums ihres Bahneintrittes, ihrer ehemaligen Schule
einen Besuch abzustatten. Einige der Kursteilnehmer hatten die Schule seit 35 Jahren nicht wiedergesehen
und waren von deren Modernisierung und Vergrößerung sichtlich beeindruckt. Die Dienstanfängerschule
wurde nämlich im Jahre 1938 zur “Reichsbahn Zentralschule” und durch einen zweigeschossingen Zubau
Reichsbahn-Zentralschule, 1939
auf eine Kapazität von 90 Internatsplätzen erweitert. Dazu kamen eine Küche, ein Speisesaal und ein großer
Aufenthaltsraum. Im Jahre 1968/69 wurden im Zuge einer Generalrenovierung bedeutende Verbesserungen
der sanitären Anlagen, der Zentralheizungsanlage und des Wohnkomforts durchgeführt.
Der Lehrsaal 1 wurde als Filmoperateurraum zur Vorführung von Lichtbildern und Filmen eingerichtet.
Eine moderne Verkehrsmodellanlage stellt einen unentbehrlichen Unterrichtsbehelf dar.
Für die Freizeitgestaltung stehen den Kursteilnehmern ein Turnsaal, ein Hallenbad und eine große Grünfläche
zur Verfügung.
Modellanlage
Basa-Unterricht
Telegraphenunterricht
praktischer Telegraphenunterricht
Unterricht an der Sicherungsanlage
(Schubknopfapparat)
Signalkunde auf der Außenanlage